Sonntag, 29. Januar 2017

1.01.2017, Bangkok


Und die Geschichte hätte auch ganz anders sein können, überlege ich in der Nacht im Bett. Vielleicht hatte der Franzose ja nach dem Streit seinem Freund die Kreditkarte geklaut und war deshalb so zutraulich und meinte, nein, Bargeld, das habe er leider auch nicht. Gerne würde er mir aber das Essen mit der Kreditkarte bezahlen, wenn ich ihm dafür Bargeld geben könne. Wollte er möglichst rasch möglichst viel Geld von dem Konto abheben bevor es gesperrt würde? - Auch eine mögliche Geschichte.


Morgens um 10 bin ich bereits wieder draussen. Einsam ist es, kaum Verkehr und es weht ein frischer Wind. Die Schatten sind noch lang, Dank sei den Hochhäusern, ich beschliesse zu Fuss bis zum Silom Square zu gehen, wo die Architektinnen mir ein schönes altes Haus angegeben haben, das ich besuchen solle. Hinter riesigen Gebäuden verborgen finde ich schliesslich das "Jim Thomson" Haus, eine Anlage von sechs rot bemalten alten Holzhäusern, die der Amerikaner antik gekauft und 1959 auf dem Grundstück neu zusammengestellt aufbauen liess. Umgeben von einer wunderbaren Gartenanlage. Die Führerin - die Gebäude werden rege besucht - meint damals, vor gut 50 Jahren, sei auf dieser Seite des Kanals noch kein anderes Gebäude gestanden. Die Seidenstoffe - dafür war Thomson bekannt und verdiente sein Geld damit - liess er im Quartier auf der anderen Seite des Kanals weben. Unheimlich komfortabel diese schönen Gebäude mit tief heruntergezogenen Dächern und hohen Giebeln, welche die Sonne von den Fensteröffnungen abschirmen und die Luft in den Gebäuden zirkulieren lassen.

Darauf gehe ich durch eine Strasse mit unzähligen modernen Shopping Malls, Einkaufs- und Erlebniswelten, in einem soll ein riesiges Aquarium stehen, durch das man in Glastunneln wandeln kann. Wartezeit 1 Stunde, das ist mir zu viel, so gehe ich in einem dieser gediegenen Restaurants essen. Teuer ist es, nicht schlecht, der Platz bequem und ich kann die reichen Leute von Bangkok - es scheint viele zu haben - hier gut beobachten. Die moderne Architektur begeistert mich nur in Teilen. Spannend finde ich, dass man über weite Strecken auf "Skywalks", auf Fussgängertrassees unterhalb der Hochbahn und oberhalb der Strassen von einer Mall zur anderen spazieren kann. Äusserst unangenehm ist hingegen die Feststellung, dass hier das Leben und Erleben doch eng mit dem Konsum verbunden ist. Virtuell und real, grosse Bildschirme ziehen immer wieder den Blick an, Werbung, was auch immer, die Welten verschmelzen, Stimmen, Verkehr und Musik, alles zusammen ein Riesenspektakel, dem man wahrscheinlich nur gewachsen ist, wenn man hier geboren wurde. Ich jedenfalls komme mir vor wie das letzte Landei, staunend, fasziniert und abgestossen zugleich. Und plötzlich verstehe ich, weshalb bei diesen internationalen Skizziertagen, bei denen ich auch schon mitgemacht habe, unser Berner Grüppchen die Bergwelt zeichnete, während die Leute aus Hongkong,  Bangkok oder Tokio Szenen aus Einkaufszentren wiedergaben

Samstag, 28. Januar 2017

31.12.2016, Bangkok



Am Morgen bin ich noch mit Steve die Brücke vom Kwai anschauen gegangen. - Ich beschliesse, mir den Film gleichen Namens heute Abend im teuren Hotel in Bangkok anzuschauen, das scheint mir ein gutes Ende des für mich zwar angenehmen, aber vielleicht für die Weltgeschichte eher bedenklichen Jahres 2016 zu sein.

Im Busbahnhof von Kanchanburi strahlt mich ein Mädchen an, deutet auf meinen Longy und meine Tasche. Ich sehe, dass sie ein weiss bemaltes Gesicht hat, sie muss aus Myanmar stammen und sofort eine "Schwester" in mir erkannt haben.
Die Zugfahrt auf dem "Death Railway" später ist sehr zivilisiert, Abfahrt zwar mit einer Stunde Verspätung, doch es sind Feiertage, die vielen Ausflügler, die Eisenbahnstrecke in die Berge wird nur noch zu touristischen Zwecken befahren. Ich sitze nicht in einem historischen Abteil, sondern in einer Art Vorortswagon, orange Plastiksitze, viel Platz für stehende Passagiere, die es zum Glück heute nicht gibt. Die Wagen haben kein Fensterglas und beim Anfahren und Anhalten rumpelt es stark, wenn die einzelnen Wagen ungebremst ineinander stossen. Und jetzt gerade dringt ziemlich unangenehm der Geruch von Kunstdünger durch die Fensteröffnungen, die Ebene Richtung Bangkok wird intensiv landwirtschaftlich genutzt.



Immer noch hängen überall Poster von Bhumibol, die vergessen den König nicht so leicht, die zwei Architektinnen, die ich auf dem Bahnhof von Kanchanburi beim Warten kennen gelernt habe meinen, die Neujahrsfeiern seien  abgesagt worden, aber ich könne heute Abend beim Königspalast zuschauen gehen, wie die ganze Nacht hindurch gebetet werde. Die Frauen aus Bangkok geben mir ein paar Tipps für ihre Stadt, die Zeit vergeht rasch, beide arbeiten im Immobilienhandel und nicht als Architektinnen, der Verdienst sei besser dort.
Im Zug wirft niemand Abfälle zum Fenster hinaus, eine angenehme Nebenerscheinung des Fortschritts, und eben geht einer der Kondukteure mit Desinfektionsmitteln die Toiletten reinigen.

Als ich von meinem recht kurzen Ausflug in die Stadt um elf Uhr abends zurück kehre, treffe ich im "Silome Serena" Hotel vier junge Schweizer in der Eingangshalle, bereit für den Ausgang und aufgekratzt. Ich habe zu wenig Geld eingepackt, mit 250 Bath - ich kenne mich im Wert des Geldes hier überhaupt nicht aus - kommt man in diesem Quartier von Bangkok nicht weit, Rückkehr deshalb vor Mitternacht, ich bediene mich in der Minibar.

Bekanntschaft gemacht habe ich vorher mit einem jungen Franzosen, um die 30ig würde ich schätzen, und schwul. Er hat sich eben mit seinem Partner zerstritten, seit 10 Jahren sei man zusammen, er hat das Bedürfnis zu sprechen. Ich will ihn trösten und meine, ganze 10 Jahre, das hätte ich in meinen 60ig Jährchen noch nie geschafft und ja, ein etwas dummer Moment vier Stunden vor Mitternacht an Silvester. Mathematiklehrer aus Marseille sei er, Zwischenhalt auf dem Weg nach Bali. Er findet, nein 60ig, das hätte er mir nie gegeben. In der Nacht, denke ich, und sage, das liege wohl eher am Verhalten. Zum Abschied bedankt er sich überschwänglich und gibt mir à la française drei Küsse. Eine letzte gute Tat, scheint mir, die kann ich noch im alten Jahr abbuchen

30.12.2016, Reise nach Thailand



Frühmorgens werde ich von einem schwarzen PickUp im Hotel abgeholt, es ist Zeit für die Weiterreise über die Berge nach Thailand. Zwei fette Amerikaner, Vater und Sohn, sitzen bereits auf der Rückbank, ich komme dazu und am Busstop sollen noch rund 8 Personen und viele Waren auf die Ladefläche und die Kabine verteilt werden, das ist den beiden zu viel, zum Glück verlassen sie das Schiff. Ohne die beiden sind wir immer noch dicht gepfercht, zu dritt auf dem Rücksitz, eine einheimische Frau mit Kleinkind in der Mitte, 5 Frauen und drei Kinder zwischen den Waren auf der Ladefläche. Erst bin ich nicht begeistert, so eng mit einem schreienden Kleinkind 5 Stunden durch die Berge zu fahren, doch der Kleine entpuppt sich als freundlich lächelnder Buddha. Er lässt sich das Gehopse und Geschaukel erstaunlich gut gefallen und ist aufgeweckt. Erst windet sich die Strasse rund anderthalb Stunden geteert, aber schmal die Hügel hinauf bis zu einem ersten Kontrollposten. Über eine abenteuerliche Brücke geht es von nun an auf Naturstrassen weiter, immerhin sind die im allgemeinen breit. Die Einheimischen auf der Ladefläche werden mit Staub eingepudert, jedes Fahrzeug hinterlässt eine Wolke, die minutenlang stehen bleibt, doch die Leute beklagen sich nicht. Der junge Chauffeur lässt mehrmals das Steuer los um seine Hände zu falten, Buddha hat geholfen oder soll das tun, nach rund 6-stündiger Fahrt erreichen wir die Grenze.



Und schon landen wir in einer anderen Welt. Zurück in der Gegenwart, gut ausgebaute Strassen, später sogar eine Autobahn, auch die Häuser wirken weniger gebastelt. Kaum zu glauben wie schnell uns die Zivilisation zurück holt. - Eine Zeitreise von rund 25 Jahren meint der Engländer Steve, der Thailand bereits damals bereist hat.

29.12.2016, Dawei

Eine Goldgräberstimmung herrscht in diesem Land, wie ich sie noch selten auf der Welt erlebt habe. In Transformation begriffen scheint mir ganz Myanmar, die Leute glauben an ihre Zukunft - mindestens diejenigen, mit denen ich sprechen kann. Das sind nicht die Tausenden von Hilfskräften, die im Strassenbau arbeiten. Gerade im Mon State wird praktisch überall gleichzeitig an der Verbreiterung und Verbesserung des Strassennetzes gearbeitet, das meiste ist Handarbeit, selbst das Zerhacken von Steinen zu feinerem Kies und das Erhitzen von Fässern mit Teer auf Holzfeuern, häufig arbeiten auch Frauen und Kinder mit.




Am Morgen früh beobachte ich die Arbeiten am Flussufer in Dawei. Nicht nur eine zweite Fahrspur wird im Moment betoniert, auch Verladerampen für Schiffe werden gebaut und bereits entsteht so etwas wie eine Strandpromenade, erste Bäume werden gepflanzt  und irgendwo in den niedrigen Häusern klafft eine grosse Baugrube. Auf den Metallabschrankungen Fotos von dem, was hier entstehen soll: Ein Hochhauskomplex, Bilder aus einem riesigen Supermarkt und Fotos von glücklichen westlichen Touristen am Schwimmbad.



In ein bis zwei Jahren wird die Strandstrasse fertig sein, ein Plus, doch verändert das alles. Ein grösseres Verkehrsaufkommen, die Bautätigkeit wird sich auch hier noch verstärken, bereits jetzt fotografiere ich alte schiefe Häuser, die dem Tod geweiht sind. Da kann man nur hoffen, dass das koloniale Erbe, und die alten traditionellen Holzhäuser nicht gänzlich im Stich gelassen werden.

Behandlung von Geld
In Myanmar hat man eine ganz besondere Art zu bezahlen. Man bündelt die Scheine schön geglättet und präsentiert sie in beiden Händen haltend horizontal dem Gegenüber. Oder man hält sie ebenso in der rechten Hand und legt die linke Hand über den rechten Unterarm, ein richtige Zeremonie ist das. Sagt dies wohl etwas über das Verhältnis der Leute zu Geld aus? - In Afrika werden die Geldscheine aus dem Hosensack geholt und zerknüllt dem Gegenüber achtlos hingestreckt

28.12.2016, Dawei


Heute ein Ausflug zum Strand des Österreichers André und seinen viel besungenen "Paradise Bungalows", die mangels Alternative praktisch immer ausgebucht sind. Rund 2 Stunden Fahrt mit einem Chauffeur, dann gut eine halbe Stunde Fussweg durch recht unberührten Wald von der Ostküste der Halbinsel über einen Berggrat hinunter an die Westküste. Schliesslich landen wir in einer kleinen Sandbucht mit einfachen Bambusbungalows. Nach dieser Reise ist das eindrücklich, doch würde ich nicht sagen, dass es der schönste Strand wäre, den ich bisher gesehen habe. Vielleicht ist heute das Meer auch gerade etwas heftig, die Wellen zu hoch. Trotzdem verbringe ich einen angenehmen Tag mit dem Engländer Steve. Das einfache Restaurant auf einer Terrasse ist angenehm, es kommen sogar mehrere burmesische Familien dort Fischgerichte essen, was ein gutes Zeichen ist. Natürlich mit Motorrädern über den steilen und holperigen Pfad angefahren, nicht zu Fuss.


Auf der Rückfahrt fragt der Fahrer, ob er noch einen Freund mitnehmen dürfe. Wir halten an einem Ort, wo gerade eine neue Telefonantenne gebaut wird und nehmen den Chefingenieur mit. Pakistanischer Christ sei er - er betont dies - nicht einfach sei das in seinem Land, aus Islamabad, seit 15 Jahren arbeite er überall auf der Welt für Telefongesellschaften, hier für die MPT, die staatliche Telefongesellschaft. Angestellt erst von Nokia, nun seit Jahren bei Huawei, nein, mitbestimmen könne er nicht, wo es hingehe. In gewissen afrikanischen Ländern gebe es 2000.- Dollar pro Monat Gefahrenzulage, aber das wolle er nicht, er habe drei Kinder und eine Frau Zuhause. Zum Glück könne er gratis telefonieren, so sei er seiner Familie etwas näher. Myanmar sei gut, die Leute seien sehr freundlich, er hoffe, noch ein weiteres Jahr im Land bleiben zu können. Bisher sei erst rund 30% des Landes mit gutem Internetempfang abgedeckt, doch in zwei bis drei Jahren, da sei dies in ganz Myanmar erhältlich. So viele Länder auf der Welt gäbe es dann nicht mehr, wo ein ganzes Netz neu aufgebaut werden müsse. Der fröhliche und gesprächige Mann - einzig sein Englisch ist für mich manchmal schwer verständlich - wohnt im gleichen Hotel wie ich, stellen wir fest, allerdings in einem der billigen Zimmer.


Die übrigen Gäste im "Garden" Hotel sind praktisch ausschliesslich burmesischer Mittelstand aus Yangon. Das schliesse ich aus den Autonummern und auch daraus, dass viele der Männer in Longyis erscheinen, ich denke, in Thailand und China ist das vorbei.

27.12.2016; Dawei

Das Wasser in der blitzblanken Badewanne ist braun wie die Farbe der Flüsse hier, was soll das, ich bin doch in einem guten Hotel einquartiert, im "Garden Hotel" in Dawei, erster Teil 1952 erbaut und damit für tropische Verhältnisse schon fast historisch. Etwas vergammelt bereits und wird nun günstig an Rucksacktouristen vermietet. Der neue Teil ersetzt wohl den Garten des Namens, aussen modern, innen ebenfalls auf alt getrimmt, mein Blick fällt auf den hohen Baumbestand des Nachbarhauses, eines hübschen, älteren Gebäudes.
Das Wasser also ist braun, ich überlege mir, dass das auch meine Kleider sein könnten, die ich in die Badewanne gelegt habe, also erst einmal die Haare waschen, ich mache das gerne zusammen. Schon wieder dieses widerliche Braun, kaum zu glauben. Oder könnten gar meine Haare derartig schmutzig sein? Beim dritten Spülwasser klärt sich die Sache schliesslich auf, bzw. wird das Wasser klar wie ein Bergbach, ich war es also, ich selber, nicht weiter erstaunlich nach den letzten Tagen.


Gestern Abend der Tiefpunkt. Für Emeline und mich hat es keinen Platz mehr im Hotel, das Steve reserviert hat. Es ist bereits halb zehn Uhr abends, also keine angenehme Zeit um noch auf Zimmersuche zu gehen. Der Engländer ist unkompliziert und findet, es habe ja zwei Betten in seinem Zimmer und eine Matratze könne man auch noch dazwischen legen. So wird es gemacht, ich bin hundemüde und habe mir beim Kofferschleppen auch noch den Rücken verknackst.

Am Morgen bin ich mit der Französin Hotels anschauen gegangen. Die Stadt ist bisher noch keine Feriendestination für die Agenten, zu gering sei die Nachfrage, die Gegend ist erst seit 3 Jahren für Ausländer offen. So lande ich im "Garden Hotel" und Emeline reist weiter Richtung Süden. Statt eine Badebucht also immerhin ein gutes Hotelzimmer, das hebt meine Stimmung.
In einem Strassenrestaurant  versuche ich zu erklären, dass ich einen Zitronensaft mit Wasser möchte, doch man versteht nicht. Eine Zeichnung hilft schliesslich, man holt eine Zitrone, ich nicke und nach 5 Minuten kommt mein Getränk, mit Zucker und Salz gleichzeitig gemischt. Ganz allgemein gibt es hier wenig Salziges, dem nicht auch Zucker beigefügt wird und wenig Süsses, das nicht auch noch salzig ist.


Die heissesten Stunden verbringe ich in meinem kühlen Zimmer und gehe erst um halb fünf wieder hinaus. Ich laufe zum Fluss. Die Strassen im Zentrum sind frisch geteert und gepflegt, etwas weiter draussen rasch Naturboden und holprig. Am Flussufer herrscht eine ganz andere Atmosphäre. Ländlich, Fischerhäuser aus Holz oder Bambus, Ziegen und Hühner und  Sumpf. Schon wieder komme ich an einem buddhistischen Tempel vorbei, bei dem gerade gefestet wird, Essstände, Verkaufsstände und Musik. Dawei hat es mir angetan. Noch sehr viele alte Gebäude - bisher fanden sich diese vor allem in Reiseführern. Die Stadt ist klein und sauber, farbenfroh die Fassaden und freundlich die Leute und essen tue ich heute auch noch sehr gut.

26.12.2016, Dawei

Auf der Frühstücksterrasse, die auf einen kleinen Kunstsee hinausschaut auf dem Rudermannschaften trainieren, treffe ich die übrigen verlorenen Seelen, die am 25.Dezember im "Starlight" Guesthouse gestrandet sind. Eine junge Französin, Emiline, sie arbeitet seit 4 Jahren in Yangon in einem Reisebüro und ist mit einem Burmesen liiert. Einen mittelalterlichen Deutschen, der in Gegenrichtung reist, Selbständigerwerbend, meint er, anfangs Dezember und ende Januar besuche er Symposien in Bangkok und da sei es günstiger, den Winter gerade hier unten zu verbringen. Er rechnet mit 40 Dollar pro Tag. Schliesslich ein Engländer in meinem Alter, ebenfalls südwärts reisend, seit 5 Monaten unterwegs, überhaupt unterwegs, er habe genug Geld, müsse nicht mehr arbeiten und England, Europa, die Politik, da habe er keine Lust mehr darauf. Von Bangkok aus gehe es dann Richtung Indien. - Als Frühstücksüberraschung erklärt der Burmese, der das Guesthouse während der Abwesenheit des amerikanischen Besitzers mehr schlecht als recht managt, dass er für uns alle keinen Platz mehr habe.


Zu dritt gehen wir auf den Zug Richtung Süden. Der sollte um halb elf Uhr abfahren und fährt dann erst gegen zwölf, Verspätung, von Yangon her bereits 15 Stunden unterwegs,  sowas kann passieren, um 12 Uhr also fahren wir aus dem Bahnhof um nach rund einer viertel Stunde schon wieder zu halten. "Train change" meint man. Die Sonne brennt unerbittlich auf die Wagons hinunter, diese Hitze, ich beginne zu halluzinieren, die Sonne, erst verkriechen wir uns in unsere Häuser, in Höhlen dann, doch Feuer kommt auf, die glühende Luft verbrennt unsere Lungen, es gibt kein Entrinnen, die Sonne hat hier in den Tropen kein hübsches Gesicht. Die Höllenvisionen aus den Eingeweiden des liegenden Buddha kommen hoch, lebend gesotten, so fühle ich mich, 36 Grad Höchsttemperatur heute laut Wetterbericht.
Nach rund einer Stunde geht es weiter, ein Zug kommt aus der Gegenrichtung, wir mussten beim Kreuzungspunkt warten, nun ohne weitere Zwischenfälle vorwärts. Wir fahren durch eine hüglige Gegend. Entlang der Geleise stehen meist junge Kautschukplantagen in Reihen, während die Hänge der höheren Gebirge dahinter - überhaupt sämtlicher Gebirge in Myanmar - stark entwaldet sind. Und unten im flachen oder hügeligen Gelände werden grossflächig Monokulturen angepflanzt.


Konversation verkürzt die Reise. Nachdem ich mein Erstaunen ausdrücke, dass ich hier noch nie Kakerlaken gesehen habe, meint Steve, die würden eben gegessen. Der Engländer ist sympathisch, reisen zu zweit würde sich anbieten, doch seine Hände sind etwas nervös, das Bild eines Mannes, der Lederhandschuhe überstreift, ein Mörder, meine Fantasie in der Hitze, vielleicht auch ein englischer Gentleman - der übrigens ebenfalls Notizen macht und einen blog schreibt.

Der Zug rattert nun durch die Dämmerung, um 5 Uhr nachmittags ist es bereits dunkel, vor den Zugfenstern ziehen schwarze Silhouetten von Bambuspflanzen vor dem roten Abendhimmel vorbei, das sieht aus wie ein japanisches Gemälde, die Hitze lässt langsam nach.

Freitag, 27. Januar 2017

24.12.2016; Mawlamyine

Heute viel geschrieben, mails erledigt, nun sitze ich nach Sonnenuntergang auf einer Terrasse am Fluss. Ziemlich leer, keine Touristen, der Himmel ist rot und die Dunkelheit legt bereits ihren gnädigen Mantel über den Abfall. Ich trinke ein Bier und niesse.

Dann gehe ich der Strandroad entlang, es ist nun bereits stockdunkel, in Myanmar verhalte ich mich häufig gegen meinen Instinkt weil alle sagen, wie sicher es sei, immer weiter, einsamer wird es, nur noch Lagerhäuser, der Uringeruch nimmt zu. In einem anderen Land wäre ich schon längstens umgekehrt, doch erst jetzt siegt mein Bauchgefühl über den Kopf. Sobald es etwas belebter wird halte ich in einem Restaurant an, "South Indian Kitchen" ist angeschrieben, ich bestelle ein vegetarisches Biryani. Der Reis sieht ähnlich aus wie in Sansibar, mit vereinzelt orange eingefärbten Körnern, der Geschmack ist ohne die gerösteten Zwiebeln jedoch nicht sehr interessant. Dafür munden mir die drei dazu gereichten Gemüse, grüne Bohnen, ein Kartoffelgericht und eines mit Blumenkohl, umso mehr. Rohe Zwiebeln werden dazu gereicht, frische Minze und ein Süppchen mit Linsen und eine Art Fladenbrot. Alles wunderbar gekocht und kostet zusammen nicht einmal zwei Franken.
Anschliessend will ich schauen gehen, was am Weihnachtsabend in den Kirchen passiert. Das ist rasch gesagt: Die Baptistenkirche ist geschlossen, in einem offenen Gebäude daneben werden Lieder gesungen, die für mich aber nicht besonders weihnächtlich klingen, die grosse Katholische Kirche ist offen und bekränzt, fünf Jugendliche sitzen herum, passieren tut nichts, eine weitere kleine Kapelle ist zwar beleuchtet aber abgeschlossen. - Umso mehr regt sich zur gleichen Zeit im buddhistischen Tempel.


Der Dokumentarfilm, den ich gestern Abend gesehen habe, kommt mir in den Sinn: das Christentum sterbe im Nahen Osten aus, obwohl seine Wiege in Palästina sei. Benachteiligt, vertrieben oder gar ermordet, es gebe keine Zukunft für die Christen dort. Hier wirken die vielen Kirchen zwar gepflegt, man wahrt den Schein, die werden sicherlich aus dem Westen finanziert, doch die Religion - kaum wegen Verfolgung - scheint nicht mehr attraktiv zu sein. Anders der Islam. Den Muezzin hört man zum Gebet rufen, diskreter zwar als das Psalmodieren der Buddhisten, doch gehen Männer in die Moschee und es hat verschleierte Frauen.

Spät ist es noch nicht als ich zurück ins Hotel komme, ein  Abend vor dem Fernseher scheint mir passend. Mit schlechten oder christlichen Nachrichten. Oder schlechten christlichen. Weihnachtsabend in Mawlamyine, Mon State, Insekten spazieren über mein pad

23.12.2016, Mawlamyine

Adrenalin und Kanalisation
Stadtspaziergänge in Myanmar sind aufregend. Nicht nur der Verkehr macht mir zu schaffen, insbesondere die unzähligen Motorräder, die ziemlich chaotisch und für mich unvorhersehbar herumkurven, sondern auch die Kanalisationsdeckel. Nachdem mir Anja und Thomas erzählt haben, wie sie einmal in Indien in die Kanalisation eingebrochen seien und bis zum Bauch in der Scheisse gesteckt hätten, schaue ich die teils brüchigen Betonplatten, die die Kanalisation hier abdecken immer etwas misstrauisch an.




Gegen Abend pilgere ich auf den Hügelzug hinter der Stadt, auf der Krete voller Pagoden, Rudjard Kippling soll hier die Inspiration für ein Gedicht gehabt haben, das man, wenn man den Namen "Mawlamyine" im Internet eingibt, immer sofort serviert bekommt:
Die Aussicht auf die Flussmündung mit den vielen Inseln ist wirklich grandios. Der Blick hinunter auf die Stadt mit den vielen, sich nicht bewegenden Rauchsäulen, kein Windhauch weht, unbeweglich starr stehen sie da, ist eher beunruhigend.


22.12.2016, Mawlamyine

Wieder einmal ein blutroter Sonnenuntergang, normal in den Tropen, der viele Dunst, hier sicherlich auch der Rauch der Feuer, mit denen man versucht, den Abfall zum verschwinden zu bringen, ein hoffnungsloses Unterfangen. Schreiende Möven über dem Wasser, Buddhisten füttern auch die, es könnte alles so romantisch sein. Ich bin am Meckern, meine Erkältung hat wieder einmal einen Zacken zugelegt, kein Wunder hier, wo alle dauernd husten und schneuzen und spuken.
Ich habe gezügelt, fertig mit verlotterter Kolonialarchitektur, in einem Hotel ohne Fenster, oder wie dort, mit Fenstern, die praktisch undurchsichtig waren und von zwei Reihen Vorhängen verdeckt, nein, die dürfe man nicht öffnen, wegen der Mücken, da halte ich es nicht lange aus. Einen IC habe es ja, meint man, und wenn man in dem halbfinsteren Raum etwas sehen will, dann muss der Fernseher genügen. Asiaten stört das offenbar nicht, deshalb werden einem die Zimmer immer mit geschlossenen Vorhängen gezeigt. Wer interessiert sich schon für die Welt dahinter?



Nun hause ich in einem minimalgrossen Zimmer für 25 Dollar. Es ist liebevoll eingerichtet und hat ein Fenster mit Aussicht auf ein wenig Grün, ein wenig Himmel und Dächer. Im "Cinderella" Hotel hat es eine beflissene Crew, die bestens Englisch spricht und einem Fremden viele Probleme abnehmen kann. Einzig störend: Dieses  8.6 im Tripadvisor, das überall angeschlagen steht, wie an anderen Orten das Portrait von Aung Su Kyi. Aber okay, für den Preis wirklich gut. Und noch besser für mich in meinem kränkelnden Zustand: Fernseher mit 5 englischsprachigen und einem französischen Sender. Und damit endlich wieder einmal News. Obwohl: die heben die Stimmung auch nicht gerade.


Heute bin ich den grössten liegenden Buddha Myanmars anschauen gegangen, der ist weder alt, noch fertig gebaut. Ein wahres Wettrennen um religiös-touristische Superlativen gibt es hier, die Bauindustrie frohlockt. Die ältesten Mauern sind noch aus Backstein gebaut und bereits überwuchert, mit dünnem Eisenbeton geht es weiter. Im Inneren des liegenden Buddhas entsteht ein Gruselkabinett, Höllenphantasien, Wikipedia sagt mir, dass auch im Buddhismus - und vom Hinduismus her stammend - eine strafende Unterwelt bekannt ist. Sie tilgt die Sünden aus diesem Leben, erst danach kommt es zu einer Wiedergeburt. Praktisch gleich wie im Christentum wird das Leiden dargestellt, grausam und pervers. Alles im Disneylandstil, Figuren und Halbreliefs, an den Wänden Gemälde, manchmal auch nur Fotoposter, ein wildes Gemisch, aufgemalte Bäume, die teils aus der Wand hervortreten, die Blätter sind aus bemaltem Metall. Verschiedene Stile nebeneinander, egal, passt, wird bestaunt und man kann Geld spenden, damit das Monster irgend einmal fertig wird. - Was aber kaum jemals geschehen wird, denn die ältesten Teile zerfallen bereits

Donnerstag, 26. Januar 2017

21.12.2016, Hpa An




Ein letzter Spaziergang in der Stadt, fast etwas wehmütig bin ich, gehe noch einmal zum See und korrigiere die Koordinaten des Museums in maps.me und füge das hübsche Hotel direkt am Ufer hinzu - jeder kann in maps.me Beiträge bringen, wohl deshalb all die Fehler. Nachher spaziere ich durch sehr grüne Strassen mit dunklen Holzhäusern, auch einige neue massiv gebaute Gebäude, ein angenehmes, ländlich wirkendes Quartier, ich gehe zum Thanlyn River hinunter und dort der stark befahrenen Strandstrasse entlang. Was könnte man hier touristisch noch alles entwickeln! Eine schöne Terrasse auf den Fluss hinaus, mit einer Mauer vor dem Verkehrslärm geschützt, gute Drinks und feine Happen, WIFI natürlich, das wäre bestimmt eine Goldgrube, denn ein angenehmer Ort zum Verweilen, der auch Langnasen gefallen würde, der fehlt bisher in Hpa An. Im letzten Uferstück kurz vor dem Zentrum dann doch noch eine kurze Strandpromenade mit Bänken Richtung Fluss und damit Sonnenuntergang, am Morgen Schatten durch  hohe Bäume, durch Gebüsch ist der kleine Park von der Strasse abgeschirmt. Eine ältere Frau deutet mir abzusitzen. Ihr Englisch ist mehr als beschränkt. Kommunikation funktioniert dennoch, Komplimente für mein Longyi wie häufig, ich rühme den Ort. Wir lächeln und glauben verstanden worden zu sein. Die Frau mit dem Kleinkind geht dann weiter, eine Gruppe Knaben zwischen fünf und acht Jahren setzt sich zu mir, sie haben grosse Säcke mit dabei. Ich sehe Aluminiumdosen darin, Rezykling also, Kinderarbeit, einer der Knaben, ein hübscher mit rot gebleichten Haarlocken und bereits angebräunten Zähnen vom Betel, er hat sich einen Zahnstocher als Schmuck in sein Ohrläppchen gesteckt, klaubt stolz eine Sonnenbrille hervor und setzt sie auf. Cool sieht er aus und weiss das. Und fragt nach einem Tausch mit meinem i-phone, was ich entschieden ablehne. Die Mädchen finden nun, man müsste Brillen tauschen und als sie mit den Fingern das Zeichen Geld, Zeigfinger und Daumen rund zu einer Münze geformt (obwohl es in Myanmar schon lange keine Münzen mehr gibt, nur Scheine) machen, meine ich lachend "no money honey", denn Kinder gebe ich prinzipiell kein Geld.


Die Flussfahrt nach Mawlamyine ist okay, ich habe in diesem Land schon interessantere gemacht, das Schiff etwas weniger, vor allem als ich sehe, dass dasjenige, das ich eigentlich buchen wollte gerade nebenan vorbereitet wird. Viel komfortabler wäre es gewesen bei dem stechenden Sonnenschein.
Unterwegs ein Halt bei einem Kloster, speziell ist das, ein anderer Stil als alles, was ich bisher gesehen habe, aus dem 19.Jahrhundert stammend. Mich erinnern die goldüberladenen üppigen Tempel an den Barock in Europa.



Schliesslich Ankunft in Mawlamyine, dem Hauptort des Mon States mit 300`000 Einwohnern, vielen Kolonialbauten, heisst es im Reiseführer, Hauptstadt der Briten während einer gewissen Zeit und Zentrum des Kautschukanbaus. Das "Than Lwin" Hotel, das mir der Ueli wärmstens empfohlen hat, ist nicht nach meinem Geschmack, der Ueli ist wohl in den 5 Jahren hier bereits etwas gar burmesisch geworden, doch der Sonnenuntergang über dem Fluss ist grandios.
Ich will mich auf die Suche nach einer besseren Unterkunft machen und komme an einem modernen Gebäude vorbei, das mir gefällt. Das könnte doch ein Hotel sein? Und wirklich, beim Eingang steht eine Rezeption. Ich frage, ob ich ein Zimmer sehen könne. Etwas zögernd steigt der junge Mann mit mir in den Lift. Plakate über Herzleiden sind dort aufgehängt, merkwürdig, finde ich, und als wir aussteigen sehe ich im Gang Leute im Rollstuhl und Leute mit Infusionsstangen herumgehen. Erst jetzt begreife ich, dass ich wohl in einem Krankenhaus gelandet bin.

20.Dezember 2016, Hpa An

Heute war Organisationstag, Kleider und Haare waschen, man weiss ja nie, wann wieder eine so komfortable Herberge kommt, Kleider flicken, schreiben, und am Nachmittag noch ein Ausflug zu den Kawgun Caves.




Diese Höhlen - die Buddhafiguren sind unter einem stark vorspringenden Felsvorsprung untergebracht - faszinieren selbst eine Abgehärtete wie mich. Nicht eigentlich die Figuren, häufig bunt gemischt, Wertvolles neben Wertlosem, in Myanmar haben sie praktisch alle dieselbe Position - ich lese, dass ab der Spätphase selbst für Stupas Vorlagen gemacht wurden, damit diese rasch in grossen Mengen produziert werden konnten. Position im Lotussitz, die Körper in etwa gleich, einzig beim Aufmalen der Augen und des Mundes haben sich die Künstler etwas Freiheit erlaubt. So kann es vorkommen, dass einem plötzlich einer dieser Buddhas verschmitzt zulächelt. Oder einer, statt nach unten und in sich gekehrt, auf unergründliche Weise in die Ferne blickt.
Besonders sind hier die winzigen, aus Lehm geformten, reliefartigen  Buddhafigürchen, mit denen die Höhlenwände vollgeklebt sind. Kleine ockerfarbene Buddhas auf rostrotem Grund, dort wo sie noch gänzlich erhalten sind. Obwohl auch sie in Serie gemacht wurden, hat es hier auch Unvorhersehbares. Die Form der Felsoberfläche verlangt dies, es handelt sich um einen Stalaktitenvorsprung. Von Wasser geformt, von Natur aus nicht für die Ewigkeit gemacht. Zusätzlich Taubenkot und, lese ich, eine Zementfabrik in der Gegend. Für das Rohmaterial werden ganze Felsköpfe weggesprengt und abgebaut, wie wird diese prägnante Landschaft in Bälde aussehen? Die Erschütterungen dieser Explosionen, weiter, die hätten bereits zu grosser Zerstörung an den Wänden geführt. Eine kaum zu bewältigende Aufgabe, der Erhalt dieses wertvollen Ortes. - Und die vielen Buddhas blicken gnädig und unberührt untätig herab. Vergänglichkeit ist für sie sowieso kein Problem.


Was denn das für eine Party sei frage ich unten in der Rezeption? Oh, Weihnachtslieder, ob ich nicht gehört habe? Ja, doch, meine ich, aber sie seien doch Buddhisten. Das schon, aber Christen habe es auch und die würden in Gruppen herum ziehen und singen, um die Leute zu erfreuen.

Weil es schon spät ist, gehe ich in ein Teehaus gleich in der Strasse, das mich immer beim vorbeigehen angezogen hat. "Dumplins" haben sie, diese gedämpften Teigkugeln, die ich von China her kenne. Ich bestelle eine und kriege dann zwei, das scheint die Minimaldosis zu sein. Dazu bestelle ich "Eggplants", was ich mit Aubergine übersetze. Was ich dann tatsächlich erhalte ist eine Art Omelette, ölig und mit Zucker bestreut. Zucker, das hat es hier so ziemlich überall drin, auch im Dumplinteig, dessen Hackfleischfüllung übrigens sehr schmackhaft ist, und im Toastbrot, das man uns Ausländern aus dem Westen am Morgen serviert, gestern wurde mir sogar Zucker über Kokosnussfleisch gestreut. Der sehr fette junge Besitzer, kein Wunder bei dieser Diät, kriegt gerade von einem schmächtigen Jungen eine Rückenmassage verpasst und kaut dazu Kerne.

Auf dem Rückweg begegne ich einer Gruppe singender junger Kayin Christen in traditioneller Kleidung. Sie schauen mich neugierig an.