Sonntag, 29. Januar 2017

1.01.2017, Bangkok


Und die Geschichte hätte auch ganz anders sein können, überlege ich in der Nacht im Bett. Vielleicht hatte der Franzose ja nach dem Streit seinem Freund die Kreditkarte geklaut und war deshalb so zutraulich und meinte, nein, Bargeld, das habe er leider auch nicht. Gerne würde er mir aber das Essen mit der Kreditkarte bezahlen, wenn ich ihm dafür Bargeld geben könne. Wollte er möglichst rasch möglichst viel Geld von dem Konto abheben bevor es gesperrt würde? - Auch eine mögliche Geschichte.


Morgens um 10 bin ich bereits wieder draussen. Einsam ist es, kaum Verkehr und es weht ein frischer Wind. Die Schatten sind noch lang, Dank sei den Hochhäusern, ich beschliesse zu Fuss bis zum Silom Square zu gehen, wo die Architektinnen mir ein schönes altes Haus angegeben haben, das ich besuchen solle. Hinter riesigen Gebäuden verborgen finde ich schliesslich das "Jim Thomson" Haus, eine Anlage von sechs rot bemalten alten Holzhäusern, die der Amerikaner antik gekauft und 1959 auf dem Grundstück neu zusammengestellt aufbauen liess. Umgeben von einer wunderbaren Gartenanlage. Die Führerin - die Gebäude werden rege besucht - meint damals, vor gut 50 Jahren, sei auf dieser Seite des Kanals noch kein anderes Gebäude gestanden. Die Seidenstoffe - dafür war Thomson bekannt und verdiente sein Geld damit - liess er im Quartier auf der anderen Seite des Kanals weben. Unheimlich komfortabel diese schönen Gebäude mit tief heruntergezogenen Dächern und hohen Giebeln, welche die Sonne von den Fensteröffnungen abschirmen und die Luft in den Gebäuden zirkulieren lassen.

Darauf gehe ich durch eine Strasse mit unzähligen modernen Shopping Malls, Einkaufs- und Erlebniswelten, in einem soll ein riesiges Aquarium stehen, durch das man in Glastunneln wandeln kann. Wartezeit 1 Stunde, das ist mir zu viel, so gehe ich in einem dieser gediegenen Restaurants essen. Teuer ist es, nicht schlecht, der Platz bequem und ich kann die reichen Leute von Bangkok - es scheint viele zu haben - hier gut beobachten. Die moderne Architektur begeistert mich nur in Teilen. Spannend finde ich, dass man über weite Strecken auf "Skywalks", auf Fussgängertrassees unterhalb der Hochbahn und oberhalb der Strassen von einer Mall zur anderen spazieren kann. Äusserst unangenehm ist hingegen die Feststellung, dass hier das Leben und Erleben doch eng mit dem Konsum verbunden ist. Virtuell und real, grosse Bildschirme ziehen immer wieder den Blick an, Werbung, was auch immer, die Welten verschmelzen, Stimmen, Verkehr und Musik, alles zusammen ein Riesenspektakel, dem man wahrscheinlich nur gewachsen ist, wenn man hier geboren wurde. Ich jedenfalls komme mir vor wie das letzte Landei, staunend, fasziniert und abgestossen zugleich. Und plötzlich verstehe ich, weshalb bei diesen internationalen Skizziertagen, bei denen ich auch schon mitgemacht habe, unser Berner Grüppchen die Bergwelt zeichnete, während die Leute aus Hongkong,  Bangkok oder Tokio Szenen aus Einkaufszentren wiedergaben

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen