Dienstag, 17. Januar 2017

9.11.2016, Pyin U Lwin






Ein Muezzin beginnt seinen Ruf, kurz darauf setzt ein zweiter ein, unter meinem Fenster steht ein bunter Hindutempel und die Sonne schickt mir gerade ein paar Strahlen vorbei. Ansonsten tiefe schwarze Wolken, die rund 2-stündige Fahrt durch dichten Dschungel hinauf nach Pyin U Lwin, "Pie-u-le" ausgesprochen, führte durch Nebel und letzte Tropfen, in der Nacht gab es  einen richtigen Tropenregen. In der "Peacock" Lodge, einem angenehmen  Familienbetrieb, organisiert man mir einen Fahrer. Der junge Chauffeur fährt konzentriert, aber schnell, das Auto ist gut, aber trotzdem bin ich auf dieser Bergstrecke ein paar Mal gestresst. Wir sind auf der Hauptstrasse Richtung China, riesige stark und manchmal auch noch schief beladenen Lastzüge kämpfen sich die Kurven in die Berge hinauf, zum Glück sind die Fahrspuren meistens richtungsgetrennt. Wie eine Autobahn darf man sich das aber nicht vorstellen, nur einspurig geteert, oft winden sie sich in beträchtlicher Distanz zueinander die Hänge hoch, manchmal von Schutt und Schlamm bedeckt, der starke Regen, manchmal Löcher, Hunde und Menschen darauf. Die Berge wirken wenig schroff, vielleicht der dichte Bewuchs, der alles verhüllt, zwischendurch schiesst ein kleiner brauner Wasserfall hervor, Pyin U Lwin schliesslich liegt auf 1100m. Ich habe mich im "Bravo" Hotel im 5.Stock einquartiert, sehr steile Stufen, zum Glück wurde mir der Koffer hochgetragen. Ich stelle die Klimaanlage ab und öffne die Fenster. Von unten dringt dumpf der laut hupende Verkehr empor.

Den ehemals Britischen Bahnhof finde ich leicht.  Ein einstöckiges rotes Backsteingebäude,  die Geleise sind überwuchert, zwei Züge kommen hier täglich vorbei, einer um 8:20 Richtung Lashio, also China, der andere um 4 Uhr nachmittags zurück nach Mandalay. Ich esse eine Suppe in einer dieser halboffenen Garküchen, Nudeln mit einer Art Cracker, der hinein gebröselt wird, Tofu und hartem Ei nach Wahl. Dazu werden Limettenschnitze gereicht und frischer Koriander und getrockneter Chili oder Fischpaste. Essstäbchen werden hier kaum gebraucht, ein Löffel nur, man schlabbert die Teigwaren aus dem Schälchen direkt in den Mund.

Trump habe gewonnen, sagt mir der ältere Mann, als ich an die Glastüre des "Orchid Hotels" klopfe, der Fernseher läuft, welch ein Schreck, da sind wir uns einig. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Wahlen die Leute bis hierher bewegen und nein, leider könne ich nicht bei ihm übernachten, er habe keine Lizenz für Ausländer. Praktisch in jeder Strassenecke gibt es hier ein Kaffee, manchmal unter Blachen auf Plastikstühlen, manchmal in einem Gebäude mit gegen die Strassen zu offenen Wänden und Holzstühlen wie hier, häufig mit Fernseher ausgestattet. Ich denke, dass all diese Männer wegen den Wahlen in den Kasten glotzen, aber nein, es handelt sich um einen Abenteuerfilm. Zeit scheinen hier viele ganztags zu haben.
Ich schwitze selbst hier, bei dampfigen 22 Grad, doch angenehmer ist es schon als in Mandalay. Ein langer Spaziergang führt mich an verfallenden Kolonialhäusern in dicht überwucherten Gärten vorbei und an vielen Neubauten aus Beton und Ziegelstein. Die Zeit der Holzhäuser und Häuser aus geflochtenen Bambusmatten scheint auch hier vorbei zu sein, wer genug Geld hat, der baut sich ein massives Haus. Und so ruhig, wie in meinem Reiseführer beschrieben, ist Pyin u Lwin auch nicht, Pferdekutschen hat es nur wenige, Motorradtaxis auch hier. - Das Städtchen ist auffällig sauber und gut organisiert, die Gehwege bleiben für die Fussgänger frei. Ein Erbe der Zeit als britische Garnisonsstadt? Die Bevölkerung ist stark durchmischt. Chinesen und Inder. Ein alter europäisch aussehender Mann spricht mich in gutem Englisch an. Ehemaliger Gurkha sei er, Soldat einer nepalesischen Elitetruppe, bereits hier im Ort geboren. George Orwell lässt grüssen. Und plötzlich kommen Erinnerungen an die Philippinen hoch. Das müssen die zerfallenden kolonialen Holzbauten sein.

Ich suche das "Golden Triangle" Cafe, im Reiseführer viel gelobt, doch wie oft bei Empfehlungen, sehe ich dort, wo es sein sollte ein Baugerüst, so gehe ich zu einem nicht kommentierten Chinesen. Das Lokal ist nicht perfekt golden-chinesisch, ich würde es als bergchinesisch bezeichnen. Grüne Holzwände, bereits etwas verblasst und fleckig, mit Backsteinnischen. Bilder von Abstraktem über Schiff bei Sonnenuntergang zu übergrossen Kirschblüten, der Elektrizitätszähler wurde aprikofarben bemalt, die davon weglaufenden Röhren knallblau, an der weissen Decke hängen rasterartig verteilt dunkelblaue stilisierte Blüten, alles zeugt von grossem Gestaltungswillen, charmant irgendwie trotzdem.
Zurück im Hotel nervt mich nicht der Verkehr, der verstummt rasch am Abend, sondern die vielen Hunde, die unten in den Häusern gehalten werden und offensichtlich ihr Revier gut verteidigen. Und plötzlich fällt der Strom aus, und der Regen tropft wieder schwer auf die Blechdächer.

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