Donnerstag, 26. Januar 2017

16.12.2016, Golden Rock

Im ersten Bus um 6 Uhr früh - da waren bereits 8 Lastwagen gefüllt - wird mir ein verbleibender Platz zugewiesen, die meisten Pilger kommen in Gruppen oder mindestens zu zweit. Der Fahrer fährt vorsichtig im Dorf und beschleunigt erst später, seine Kurventechnik lässt sich sehen, schliesslich muss er schauen, dass er den schwer beladenen Laster den steilen Hang hinauf kriegt. Lange Zeit geht es hinauf und hinunter in ein Tal hinein, bis es endlich steil in Spitzkehren auf rund 1200m ansteigt. Bei Tagesanbruch kommen wir heil oben an, die sich öffnende Bergkulisse ist fantastisch, es ist weniger kalt als erwartet, dafür weht ein starken Wind. Der in den Reiseführern mit einer Stunde angegebene Aufstieg zum Felsen entpuppt sich als viertelstündiger Spaziergang über einen Grat, gesäumt von Teehäusern und Souvenirläden.


Die Atmosphäre auf dem Golden Rock ist wenig spirituell, gebetet wird etwas, geopfert auch, aber vor allem wird fotografiert. Wird wohl der Selfismus schon bald den Buddhismus ablösen? Erst bin ich enttäuscht. Später weniger, denn mir wird bestätigt, was ich sowieso bereits dachte, nämlich dass der hier gelebte Buddhismus eine sehr offene und freudige Religion ist. Und sich gut mit Wochenendausflug und Einkaufstour paart, im Buddhismus vermischt sich Spass grandios mit
Pflicht.

Eine einzige Abfallhalde rings um den Golden Rock, alles wird einfach die steilen Hänge hinunter geschmissen. Auf der Plattform selbst - wie in allen Heiligtümern - kriegt man zwar auch schmutzige Füsse, doch haben die Leute dort einen gewissen Respekt und und spuken in Abfalleimer oder Abflusslöcher. Den Abfall entsorgen sie über die Begrenzungsmauern, der Platz selber soll sauber wirken, das reicht.

Nach dem Heiligtum geht es weiter, eine Fussgängerstrasse mit Gasthäusern für Einheimische schliesst an, Restaurants ebenfalls, Reggae und Hiphop, gut möglich, dass es da abends ab geht. Stimmt also nicht, nur zwei Hotels, sehr viel mehr hat es bereits und neue sind schon im Bau. Nur dass wir Ausländer dort nicht hingehen dürfen.
Nun sitze ich in einem dieser Pilgerkaffees, es hat auf dem "Golden Rock" hunderte, ebenso viel Souvenirläden und als Spezialität wird Heilmedizin angeboten. Schwarz verkohlte Steinbockschädel starren aus düsteren Schalen, nein, fotografieren dürfe ich nicht. Eine ganze Hüttenstadt ist hinter den Hotels in den steilen Hängen und auf der darauf folgenden Krete entstanden, der Tourismus bringt Arbeit oder mindestens erhofft man sich das.
Ausgerichtet ist man auf einheimischen Tourismus, kaum jemand spricht Englisch,  aber freundlich lächelnd, etwas erstaunt auch, hier eine Langnase ganz alleine frühmorgens zu treffen, begrüssen mich die Souvenirhändlerinnen mit "mingalaba" statt mit aggressivem "want to buy", offensichtlich gehöre ich nicht zum angepeilten Publikum.





Am Nachmittag gehe ich auf einen langen Spaziergang über den Grat, vorbei an Stupas und Bretterbuden und Teestuben. Die Aussicht ist fantastisch, der Weg wird immer schlechter, die Stufen werden durch meist zerschlissene Sandsäcke ersetzt.

Die unterschiedliche Logik bei Treppenstufen
Mit den Stufen ganz allgemein ist es in Myanmar so eine Sache. Bei uns gilt die Regel, dass die immer gleich hoch und gleich lang sein müssen, weil das sonst gefährlich sei - hier ist das auch in Häusern selten der Fall. Da gibt es tiefe und kniehohe, kurze und lange nacheinander, das ähnelt einer Bergwanderung und ich verstehe nun besser, weshalb sich die burmesischen Pilger alle mit diesen verzierten Bambusstecken eingedeckt haben. Alt und jung treffe ich auf dem Weg, man stützt sich gegenseitig und keucht. Auf einer wunderschön gelegenen Terrasse über dem Abgrund genehmige ich mir Kokosnusssaft und esse ausnahmsweise auch deren Fleisch, das Essen wollte mir in den letzten Tagen selten munden, vielleicht hilft ja Christian Kracht und seine Kokosdiät. Unterwegs wechseln sich schwarze Wolken mit stechendem Sonnenschein ab, und ja, Asiaten stinken auch nach Schweiss - obwohl ich das Gegenteil gelesen habe.

Um sieben Uhr abends, den Sonnenuntergang habe ich ausgelassen, denn der liess sich selber aus, zu viele Wolken, gehe ich nochmals zum  Golden Rock. Mehr Leute als vorher, neue kommen laufend dazu, Gepäck wird immer noch hochgetragen, Waren ebenfalls. Erste Leute schlafen auf der Plattform, dick in Decken eingepackt, andere sitzen herum, möglichst im Windschatten, der Wind bläst immer noch heftig und nun kalt.
Am Eingangstor zwei beleuchtete Tannenbäume, eine Frau mit einer roten Chlausenkappe als Schutz vor der Kälte sehe ich auch,  die Integration von Fremdem scheint im Buddhismus keine Grenzen zu kennen, auch die Hotels blinkend beleuchtet, eine Hollywoodlightshow, das erinnert mich an China, nur müsste es dann noch viel lauter sein. Ein geselliger Abend, man sitzt herum und schwatzt, schützt sich vor der Kälte so gut es geht, und die jugendlichen Pärchen verziehen sich gemeinsam unter eine Decke und endlich verstehe ich die Attraktion solcher Dinge für die Jugend. Selbst an der Stelle, wo Weihrauch und Kerzen angezündet werden, der Rauch und der schwere Geruch haben etwas Mystisches, sehe ich wenig ausdauernde Andacht. Zu faszinierend wohl die Schönheit des Ortes. Durch das Scheinwerferlicht angelockt wirbeln Fledermäuse um die goldene Pagode herum, kleine erleuchtete Punkte verfolgend, das müssen Scharen von Insekten sein.

Später im Hotel schaue ich mir ein 10-jähriges Werbevideo über Myanmar an, bereits ein historisches Dokument. Darin beschreibt ein Mönch seinen Tageslauf und sagt etwas, das mich beeindruckt: Der Buddhismus sei keine Religion, in der man Buddha um irgend etwas bitte. Buddhist sein  bedeute, jeden Tag zu versuchen, sein Leben besser zu gestalten. Das könnte man, - etwas missbrauchend - doch von all den Pilgern hier oben auch sagen

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